Der bayrische Küchenbauer Rational und der Hinwiler Klimatechniker Belimo gewinnen den Corporate Excellence Award des Schweizer Vermögensverwalters HQAM. Das scheint kein Zufall zu sein, denn die beiden Unternehmen teilen das gleiche Erfolgsrezept.
Gregor Mast – the market (NZZ)
Rational und Belimo zählen zu den qualitativ besten Unternehmen Europas. Das ist das Resultat des seit 2008 jährlich durch den auf den Anlagestil Quality spezialisierten Schweizer Vermögensverwalter Hérens Quality Asset Management verliehenen
Corporate Excellence Award. HQAM prämiert Gesellschaften, die dank guter Führung eine nachhaltig hohe Kapitalrendite erwirtschaften und solide finanziert sind.
Dafür werden in einem ersten Schritt in jeder Region nach quantitativen Kriterien wie der Rendite auf das eingesetzte Kapital, dem Eigenkapitalanteil oder dem Verschuldungsgrad die fünf besten Unternehmen ermittelt. Daraus kürt eine aus HQAM- und externen Experten bestehende Jury schliesslich die Sieger. Honoriert werden Gesellschaften mit einem hervorragenden betriebswirtschaftlichen Leistungsausweis über mehrere Jahre.
Das Rennen in der DACH-Region (Deutschland, Österreich, Schweiz) machte schliesslich zum wiederholten Mal der bayrische Küchenbauer Rational. Diego Föllmi, geschäftsführender Partner von HQAM und Jury-Mitglied, war es bei der Preisverleihung merklich unangenehm, dem als Gastreferenten anwesenden Belimo-CEO Lars van der Haegen «nur» den Preis als Schweizer Landessieger (vor Ems-Chemie und Inficon) zu überreichen. Van der Haegen freute sich aber für Rational, die er gut kenne und mit deren CEO Peter Stadelmann er befreundet sei.
Parallelen zwischen den beiden Gesellschaften sind frappant
«Rational und Belimo wurden fast gleichzeitig gegründet, machen heute beide rund 1 Mrd. Umsatz, sind beide Marktführer in ihrer Nische und haben beide immer noch den oder die Gründer oder deren Nachkommen als Ankeraktionäre an Bord», erklärt van der Haegen. Belimo feiert diesen Juni das fünfzigjährige Bestehen, bei Rational wurde letztes Jahr auf das halbe Jahrhundert angestossen.
Die Gründung in den Siebzigerjahren ist kein Zufall. Damals formulierte der deutsche Rechnungslegungsspezialist und Autor Wolfgang Mewes eine Managementlehre, die sowohl Rational und Belimo als auch andere spätere Weltmarktführer und «Hidden Champions» wie Würth, Kärcher oder Fielmann beeinflusst hat. Mewes hat Tausende erfolgreiche Unternehmen analysiert und eine Handlungsmaxime formuliert, die auch als «engpasskonzentrierte Strategie» bezeichnet wird.
Gemeint ist das Lösen des grössten Problems – oder eben Engpasses – bei der Kundschaft, damit sich diese freier entfalten kann. Im Kern geht es darum, dass sich Unternehmen auf ihre Stärken besinnen und Verzettelung vermeiden sollten, sich an eine eng umrissene Zielgruppe in einer Marktnische wenden, in der sie die Marktführerschaft anstreben, und lieber in die Tiefe statt in die Breite wachsen.
Belimo hält sich bis heute an die Strategie
Bei der Präsentation von van der Haegen wird schnell klar, dass sich Belimo auch heute noch an das Mewes-Prinzip hält. Die Nische, die sich das Hinwiler Unternehmen ausgesucht hat, sind Steuerungsgeräte, Sensoren und Regelventile für die Klimatechnik, bei denen es mit einem Weltmarktanteil von 20% mit grossem Abstand die Nummer eins ist.
Urbanisierung, Klimawandel und Regulierung sorgen für eine hohe Nachfrage nach intelligenten Kühl- und Heizsystemen. Van der Haegen schätzt das Wachstum des heute rund 5 Mrd. Fr. grossen Marktes auf jährlich 5 bis 6%. Das stetige Wachstum ist wichtig, weil in einem stagnierenden Markt auch vom Mewes-Prinzip keine Wunder erwartet werden können.
«Belimo produziert nur das, was andere nicht besser können» ,fährt van der Haegen fort. Dabei konzentrieren sich die Hinwiler auf den Verkauf für Zweckbauten wie Spitäler, Datencenter oder Pharmaunternehmen, wobei grosse Endkunden direkt beraten werden. Belimo bietet weder Installation noch Wartung ihrer Antriebe, Sensoren, Zähler und Regelventile an (auch, weil die Geräte keine Wartung benötigen). Beides erinnert an Mewes.
Umsatz wächst jährlich fast 10%
Das Ergebnis kann sich sehen lassen. So ist der Umsatz zwischen 2004 und 2024 jährlich durchschnittlich 9,7% gewachsen, und das hauptsächlich organisch. Die Einnahmen pro Mitarbeiter belaufen sich auf rund 400’000 Fr., ein für ein Industrieunternehmen sehr hoher Wert. Die Ebit-Marge ist über die Jahre von 14 auf mehr als 19% gestiegen und sorgte für überdurchschnittliches Gewinnwachstum.
Um die Stellung als Marktführer zu verteidigen, setzt Belimo auf stetige Innovation. «Wir investieren rund 7% des Umsatzes in Forschung und Entwicklung», sagt van der Haegen. Mitbewerber könnten auch wegen des kleineren Umsatzes nicht so viel in die Forschung stecken. «Durch diese Investitionen wird unser Wettbewerbsvorteil stetig ausgebaut.» Zudem hätten die Konkurrenten meist einen breiteren Fokus und seien oft auch Kunden bei Belimo. Ersteres ist gemäss der Mewes-Methode nicht erstrebenswert.
Der einzige Haken an Belimo ist die Bewertung der Aktien, die mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von fast 50 auf Basis des für die nächsten zwölf Monate geschätzten Gewinns auch gegenüber der eigenen stolzen Historie – das Zehnjahresmittel liegt bei 35,8 – sehr hoch ist. Das kann Enttäuschungen zur Folge haben, falls die hohen Erwartungen nicht erfüllt werden. Diego Föllmi von HQAM weist denn auch darauf hin, dass die Award-Gewinner nicht als Kaufempfehlung zu verstehen seien, da die Bewertung nicht berücksichtigt werde.
Rational wächst ebenso stetig
Wie Belimo setzt auch Rational auf stetige Innovation, um die Konkurrenz auf Distanz zu halten. Der Küchenbauer aus Bayern ist Weltmarktführer für Grossküchen nach Mass, die von Restaurants, Kantinen, Spitälern, Heimen, Gefängnissen oder Kreuzfahrtschiffen geordert werden.
Die Massanfertigung, der gute Ruf und der hohe Automatisierungsgrad der Geräte lindern den Konkurrenzdruck und erlauben es Rational, höhere Preise durchzusetzen. Das schlägt sich in einem operativ einwandfreien Leistungsausweis nieder. Mit Ausnahme des coronabedingten Stillstands 2020 und der Delle während der Finanzkrise 2009 wächst das Unternehmen seit Jahren profitabel. In den letzten zwei Jahrzehnten waren es
wie bei Belimo im Mittel fast 10%jährlich.
Auch Rational ist als typischer Qualitätswert selten günstig. Derzeit notieren die Valoren mit einem KGV von 32,4 auf Basis des für die nächsten zwölf Monate geschätzten Gewinns in etwa in der Mitte ihrer um den Covid-Ausreisser bereinigten Zehnjahresspanne.
Sieger in der Kategorie «nordische Länder» wurde das auf innovative Antikörpertherapien gegen Krebs spezialisierte dänische Biotech-Unternehmen Genmab, das jüngst den Sprung in die Qualitätsauswahl von The Market geschafft hat.
Lizenzpartnerschaften sorgen für stetige Einnahmen, die Pipeline ist gut gefüllt. Im Bemühen um ein Nachfolgeprodukt für sein umsatzstärkstes Medikament hat das Unternehmen jüngst zwar einen Rückschlag erlitten, die Bewertung messe der vielversprechenden Pipeline aber keinen Wert zu, schreiben die Analysten von UBS. Die Titel seien entsprechend günstig, auch wenn es Erfolge aus Phase-3-Studien brauche, um den Kurs zu beleben.
Auch mit Gesellschaftsspielen lässt sich Geldverdienen
In der Kategorie «restliches Europa» wurde die britische Games Workshop ausgezeichnet. Wie Rational und Belimo gewinnen die Briten
den Award zum wiederholten Mal
. Und das, obwohl sie Gesellschaftsspiele herstellen, was in der heutigen Online-Welt wie ein Anachronismus wirkt.
Der Renner ist das Kriegsspiel «Warhammer 40’000», bei dem die Spieler ihre Armeen selbst zusammenstellen und um die 100 £ pro Figur bezahlen. Zudem vergibt Games Workshop Lizenzen beispielsweise an Videospielanbieter. Die Papiere sind mit einem KGV von 30,7 auf Basis des für die kommenden zwölf Monate geschätzten Gewinns aber stolz bewertet. Das Zehnjahresmittel des vorwärtsgerichteten KGV liegt bei 21,6.
Die weiteren Gewinner sind der US-Netzwerkausrüster und Cisco-Konkurrent Arista Networks in der Region Nordamerika sowie der Chipdesigner eMemory Technology aus Taiwan in der Region Asien/Ozeanien.
*Dieser Artikel ist bei the market (NZZ) am 06.06.2025 erschienen