Niedrige Bewertungen bei Value deuten auf fundamentale Probleme hin
Historisch betrachtet waren Value-Aktien den Growth-Aktien überlegen: Seit 1933 übertraf Value Growth in 60% der Perioden. Dies half wohl dem bekanntesten ValueInvestor Warren Buffett, sein Vermögen zu äufnen. Jetzt scheint sich jedoch das Marktparadigma geändert zu haben: Der Trend kehrte sich um, als 2006 Growth-Aktien Value-Aktien schlugen und somit die Basis für die längste säkulare Hausse legten (Clissold, Nguyen, 2019). Dies wurde sicherlich in hohem Masse durch den beispiellos langen Zyklus des Niedrigzinsumfelds mitbegünstigt, in dem jeder Wachstumsaspekt wertvoll wurde.
Bevor wir die Gründe für die jüngste Value-Underperformance im Detail erörtern, muss erwähnt werden, dass die Aktienmärkte wesentlich effizienter und ausgefeilter sind als noch vor 10 Jahren. Wenn heutzutage eine Aktie billig ist, ist sie dies oftmals aus gutem Grund. Befindet sich die Aktienbewertung auf einem niedrigen Niveau, kann dies durch fundamentale Probleme erklärt werden, die den Quality-Status des Unternehmens untergraben oder es noch werden. Solche Unternehmen, die gemäss der BCG-Matrix als „Dogs“ klassifiziert sind, erfahren häufig eine Erosion des Geschäftsmodells, die vom Markt durch einen Preisabschlag bestraft wird.
Die hier erwähnten Beispiele für „Value-Fallen“ sprechen für sich. Der Aktienpreis von Bed Bath & Beyond – einem klaren Value-Unternehmen mit einem PE von 13 im Jahr 2016 und 6 im Jahr 2019 – ging seit 2016 um 80% zurück, da das Management mit Digitalisierungs- und E-Commerce-Initiativen zu spät reagierte. Das Unternehmen verzeichnete rückläufige Brutto- und operative Margen, einen Rückgang der Filialumsätze und eine Verschlechterung der Free Cashflow-Entwicklung.
Walgreens mit einem PE von 10 hat ebenfalls Probleme mit ihrem Geschäftsmodell. Seit der Fusion von Walgreens und Boots hat das Unternehmen Mühe, ein vergleichbares Umsatzwachstum in Nordamerika und Grossbritannien zu erzielen, wo die Marktsättigung bereits recht hoch ist. Darüber hinaus sorgte die Einführung der ArzneiZustelldienste von Amazon für Druck auf die Wachstumsaussichten der Apotheken von Walgreens.
Schuld sind niedrige Zinssätze und Sektor-Bias
Zurück zu den offensichtlichen Gründen für die Outperformance von Growth. Einer der wichtigsten Faktoren für die überlegene Wertentwicklung von Growth-Titeln im letzten Jahrzehnt waren niedrige Zinssätze, die für einen tieferen Diskontierungsfaktor verantwortlich sind.
Abb. 1: Value- vs. Growth-Performance und 10-jährige Treasury-Renditen
Quelle: Hérens Quality Asset Management, Reuters
Es scheint nicht, dass die Ära des Niedrigzinsumfelds bald zu Ende sein wird, so dass dieser unterstützende Faktor für die Grwoth-Aktien weiterhin vorhanden sein wird.
Die allgemeine Erklärung für die Überlegenheit von Growth gegenüber Value ist der Sektor-Bias: Hoch verschuldete, langsam wachsende Finanz- und Energieunternehmen dominieren in Value-Indizes. Während IT-Unternehmen, die auf einen massiven Digitalisierungstrend setzen und sich eines hohen Entwicklungstempos rühmen können, eher in Growth-Indizes zu finden sind. So hat IT im USA Value-Index nur 7% Gewicht, während die Branche im Growth-Index 31% ausmacht.
Abb. 2: Aufschlüsselung der Value- und Growth-Indizes nach Sektoren in den USA und in Europa
Quelle: Hérens Quality Asset Management, Reuters
Im Folgenden werden wir deshalb untersuchen, wie sich die Performanceergebnisse bei sektorneutralen Value- und Growth-Indizes ändern werden. Dazu werden die Perfromances von S&P 500 Value und Growth-ETFs (iShares) mit einer sektorneutralen Gewichtung gemäss S&P 500 (auf monatlicher Basis) neu berechnet (vgl. Abbildung 3).
Abb.. 3: Sektorneutrale Value- vs. Growth-Performance und 10-jährige Treasury-Renditen
Quelle: Hérens Quality Asset Management, Reuters
Die obige Grafik vergleicht die Performance der S&P Value-/Growth-Indizes und der sektorneutralen S&P Value-/Growth-Indizes. Dabei ist zu sehen, dass lange Zeit keine signifikante Diskrepanz zwischen diesen Style-Performances – dies im Gegensatz zu „traditionellen“ Value- und Growth-Indizes – bestand. Erst ab Anfang 2017 verlor Value gegenüber Growth deutlich. In der Zeit davor sollte man jedoch nicht den „traditionellen“ Value-Style für die schlechte Performance verantwortlich machen – es war hauptsächlich aufgrund des Sektor-Bias.
Einzeltitelselektion im Quality-Universum zahlt sich aus
Wir sind jedoch überzeugt, dass das Festhalten am Value- oder Growth-Style langfristig nicht nachhaltig sein wird, da sich der Growth-Zyklus und der Value-Zyklus regelmässig gegenseitig ersetzen. Um eine Outperformance aufrecht zu erhalten, ist das beste Rezept eine sorgfältige und systematische Auswahl von Aktien mit Leistungs- und Risikoeigenschaften, unabhängig von Value und Growth – wie eben Quality. Wir halten es für unerlässlich, Unternehmen auszuwählen, die nachhaltige Geschäftsmodelle in vielversprechenden Marktnischen und einem günstigen Marktumfeld betreiben und über ein gutes, auf langfristige Wertschöpfung ausgerichtetes Managementteam verfügen und darüber hinaus eine attraktive Bewertung aufweisen.
Quellen
- Clissold, E.; Nguyen, T. (2019). Will Value ever outperform again? A Featured Report by Ned Davis Research