Anlagestile bei Aktien sind kein neues Phänomen. Value, Growth und Small-Caps sind seit Jahren etablierte Portfolio-Bausteine. Quality konnte sich spätestens seit der Finanzkrise durchsetzen. Doch der Passivierungstrend vieler grosser institutioneller Investoren mittels ETFs hält an. Dabei bleibt viel Renditepotenzial auf der Strecke.
In den letzten Jahren hat der Passivierungstrend bei institutionellen Investoren in der Schweiz spürbar zugenommen, insbesondere regionale oder globale ETFs auf Benchmarks wie SPI, S&P 500 oder MCSI World erfreuen sich über hohe Mittelzuflüsse. Um sich dem zu vergegenwärtigen, muss nur einen Blick auf die Geschäftsberichte der grossen Schweizer Pensionskassen werfen. Der Fakt ist einigermassen erstaunlich, da sich in den letzten 30 Jahren die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass es systematische Investment-Stile gibt, die einen von Beta (als regionaler oder globaler Index) unabhängigen Risiko- und Renditecharakter aufweisen. Wieso dieser Siegeszug von regionalen oder globalen Passiv-Investitionen?
Aus unserer Sicht gibt es drei Hauptgründe. Der erste Grund fusst auf einer fehlenden Systematik und Transparenz bei vielen Portfolios. Dies ist gerade im institutionellen Geschäft kritisch, da die meisten Entscheidungsträger Gelder für andere verwalten und diesbezüglich nicht nur eine Sorgfaltspflicht, sondern auch eine Rechenschaftspflicht haben.
Unter diesen Gesichtspunkten ist eine Investition in einen «Star Manager» oder ein Portfolio ohne systematisches Investitionskonzept schwierig zu vertreten. Der zweite Grund liegt bei den Entscheidungsträgern selbst. Wird in den breiten Markt – etwa den SPI in der Schweiz oder den MSCI World für ein globales Portfolio – indexiert investiert, müssen keine weiteren Entscheide mehr getroffen werden. Es entfällt somit Aufwand und auch die Rechtfertigung und Begründung der Entscheide. Ob dies im Sinne der «Asset Owner» ist, sei einmal dahingestellt. Schliesslich werden Löhne mitunter auch für eine sorgfältige Analyse und eben auch für die Verantwortung von Entscheiden bezahlt. Der dritte Grund liegt bei den Asset Managern selbst. Auch diese scheuen sich oftmals, Entscheide zu fällen – es sei denn, diese sind sehr prozyklisch. Das Resultat sind sehr breit diversifizierte Portfolios mit tiefem «active share», die sich kaum von Index-ETFs unterscheiden, aber eine deutlich höhere Management Fee aufweisen. Dies wiederum liefert den Entscheidungsträgern bei institutionellen Investoren die beste Begründung für ihre ETF-Investitionen, dass die grosse Mehrheit den Markt sowieso nicht schlagen kann. So schliesst sich der Kreis.
Systematische Auslegeordnung
Für Beta, oder eben einen regionalen ETF im Portfolio, gibt es wie erwähnt durchaus berechtigte Gründe. Wahrscheinlich ist dies auch die simpelste Systematik, mit der ein Portfolio bewirtschaftet werden kann. Immerhin ist es eine Systematik. Beta ist ein systematischer Rendite-Baustein eines Portfolios1 – aber eben nicht der Einzige. Daher kann es auch keine Schwarz-Weiss-Entscheidung für oder gegen regionale ETFs sein. Statistisch gesehen gibt es neben Beta weitere systematische Portfolio-Bausteine wie Small & Mid Caps, Value, Growth und Quality. Ein Portfolio, welches systematisch diese Investment-Stile einsetzt, sollte also aus einer Rendite- sowie Risikoperspektive bessere Resultate liefern als ein alleiniger Fokus auf Beta. Selbstverständlich stehen diese systematischen Portfolio-Bausteine auch in passiver Form zur Verfügung (Beispiele: MSCI Global Value, Growth, Small & Mid Caps oder Quality ETFs). Diese basieren meist auf 2 bis 5 Kriterien und vereinfachen so die Auswahl. Gleichzeitig muss aber aktiv entschieden werden, dass in diese Portfolio-Bausteine investiert wird und wenn ja, in welche. Damit landen wir wieder bei der vorherigen Thematik der Entscheidungsfindung.
Performance von systematischen globalen Investment-Stilen
Indexiert von 1996 bis 2023
Systematik lohnt sich
Selbstredend gibt es in einem breiten regionalen oder globalen Index grosse Unterschiede zwischen den darin enthaltenen Unternehmen hinsichtlich Geschäftsmodell, Branche, Bilanz, Profitabilität etc. Ein solcher ETF-Investor nimmt dies bewusst oder vielleicht auch unbewusst in Kauf. In herausfordernden wirtschaftlichen Phasen weiten sich diese Differenzen jedoch aus. So steigt der Anteil von Zombie-Unternehmen seit der COVID-Pandemie stark und dürfe seit dem Zinsschock 2022 noch weiter gestiegen sein2. Gemäss OECD-Definition sind Zombie-Unternehmen nicht in der Lage, genügend Einnahmen zu erzielen, um ihre Schulden zu bedienen (Zinsdeckungsgrad unter 1 in mehr als drei Jahren). Aber auch die Performance ist in den regionalen oder globalen Indizes höchst ungleich verteilt, wie wir in jüngster Zeit wieder einmal feststellen konnten. Dies ist aber kein neues Phänomen. Eine Studie von 2018 zeigte auf, dass in den letzten 90 Jahren im US-Markt nur 86 Aktien für über die Hälfte der Performance verantwortlich waren3.
Die Abbildung zeigt die Performance des MSCI World sowie jene der globalen MSCI World Sub-Indizes Value, Growth, Quality sowie Small & Mid-Cap von 1997 bis 2023. Schon optisch ist deutlich zu erkennen, dass es grosse Performance-Unterschiede gibt. Auch statistisch lässt sich dies nachweisen und den Schluss zu, dass es sich lohnt, neben Beta auch andere systematische Portfolio-Bausteine einzusetzen, um je nach Markphase aus Rendite und Risikosicht optimal positioniert zu sein.
*Dieser Artikel ist im B2B Magazin im Juni 2024 erschienen
1 Fama E.F., French K.S. (2015): A five factor asset pricing model, Journal of Financial Economics
2 https://hqam.ch/ende-der-aera-der-zombifizierung/
3 Bessembinder H (2018): Do stock outperform Treasury bills?