ESG-Ratings: Statische vs. Dynamische Kennzahlen
Das Schmelzen der Gletscher, häufige Waldbrände, Venedig unter Wasser – immer mehr Fälle weisen auf das alarmierende Problem der globalen Erwärmung hin. Auch durch Greta Thunbergs emotionale Rede während des UN-Gipfels wurde weitere Aufmerksamkeit auf den Klimawandel gelenkt. Das wachsende Bewusstsein für die Klimaproblematik dürfte für vermehrte Zuflüsse in ESG-Fonds sorgen. Der Effekt der Investitionen ist wichtiger als die Anlagerendite – damit sind engagierte Anleger bereit, mit ihren Impact Investments einen Beitrag zur Verbesserung der Klimabedingungen zu leisten.
In der Regel investieren ESG-ETFs und -Fonds in die Unternehmen mit den höchsten ESG-Ratings, welche sich bereits als sozialverträgliche und umweltfreundliche Betriebe etabliert haben. Sie haben den geringsten CO2-Ausstoss, die geringste Abfallmenge oder den kleinsten Wasserverbrauch. Interessanterweise können die grössten Beiträge zur Erhaltung der Umwelt von (noch) imperfekten Unternehmen geleistet werden, welche sich zur Verbesserung verpflichtet haben und dieses Ziel konsequent verfolgen. Tendenziell verfügen sie über einen höheren Leverage, da sich die Einführung höherer ESG-Standards positiv auf Kostendisziplin, Risikokontrolle etc. auswirkt. Untersuchungen haben ergeben, dass Unternehmen mit einem positiven ESG Momentum tendenziell besser performen als ihre „Peers“ mit bereits entwickelter ESG-Kultur.
Unsere Auffassung von ESG Momentum
Um jegliche Subjektivität in unserer Beurteilung der ESG-Verbesserung eines Unternehmens auszuschliessen, stützen wir uns ausschliesslich auf numerische KPIs, welche in den Nachhaltigkeitsberichten publiziert werden. Als Folge davon wurden in der Analyse nur diejenigen Unternehmen berücksichtigt, denen ESG wichtig genug ist, um einen ESG-Bericht zu veröffentlichen, so dass sichergestellt ist, dass Mindeststandards bei sozialem und ökologischem Verhalten eingehalten werden.
Insgesamt wurden 12 Kriterien ausgewählt, jeweils 4 aus jedem Gebiet – Environment, Social und Governance. Das ESG-Momentum-Rating deckt die wichtigsten quantitativen Kennzahlen ab, zu denen die Unabhängigkeit des Vorstands, der Lohnunterschied, Ausfallzeiten (LTIR) sowie der Ressourcenverbrauch und CO2-Emissionen gehören. Alle absoluten Werte wie der Energieverbrauch wurden im Verhältnis zum Gesamtumsatz berücksichtigt. Der Fokus unserer Analyse lag ausserdem auf europäischen Unternehmen, da USamerikanische Unternehmen bisher keine umfassenden ESG-Daten zur Verfügung stellen, was keine gründliche Analyse erlaubt.
Abb. 1: ESG Wert und ESG Momentum nach Sektoren
Quelle: Hérens Quality Asset Management, MSCI
Die durchschnittlichen Momentum-Ratings nach Sektoren waren keine Überraschung: „Utilities“ weisen die beste ESG-Verbesserung aus, gefolgt von „Materials“. Beide verfügen über ein tiefes absolutes Rating. „Healthcare“- Unternehmen mit hohem absolutem Rating verfügen über das tiefste Momentum.
Fundamentale Qualität = Gutes ESG-Rating. Gibt es noch Luft nach oben?
Es wurde mehrfach festgestellt, dass fundamentale Qualität mit einem guten ESGManagement einhergeht. Dies wiederum vereinfacht Risikominderung, operative Transparenz, Kapitalanziehung und Kostenkontrolle.
Da Qualitätsunternehmen schon über Top-Ratings verfügen, würde man erwarten, dass ihr ESG Momentum dementsprechend geringer ist. Maximal effiziente Unternehmen können nicht mehr jedes Jahr hinsichtlich jeder Dimension eine starke Verbesserung aufweisen. Dementsprechend liegt das durchschnittliche ESG Momentum im 2019 für Qualitätsunternehmen auch bei 12.4, während der Marktdurchschnitt bei 13.3 liegt. Nichtsdestotrotz vermochten die Finanz- und Industrie-Titel des Quality-Universums ein besseres ESG Momentum zu erreichen.
Abb. 2: EU Qualitätsunternehmen vs. MSCI Europe: ESG Wert und ESG Momentum
Quelle: Hérens Quality Asset Management, MSCI
Es gibt auch viele ESG Vorbilder unter den Quality-Unternehmen, wie das weltweit führende Software-Unternehmen SAP. Es verfügt nicht nur über exzellente Finanzkennzahlen, sondern auch über ein hervorragendes ESG-Rating und ESGMomentum. Der deutsche IT-Gigant konnte sich vor allem im Bereich Umwelt verbessern: für ihre Gebäude und Datenzentren verwenden sie 100% grüne Energie, sie verzichten auf Einwegplastik und planen, bis 2025 klimaneutral zu werden.
ESG Momentum und Performance
Nun stellt sich die Frage, ob das ESG Momentum bei Analysten dieselbe Aufmerksamkeit verdient hat wie das statische ESG-Rating. Eine aktuelle Untersuchung besagt, dass das ESG Momentum tatsächlich sogar mehr Wert generieren kann (Factset, 2019; Société General, 2019). Wir haben diese Aussage überprüft, indem wir den Mehrwert eines guten ESG-Ratings und ESG Momentums für die Aktienperformance verglichen. Die Auswertung deckt dabei nur die letzten vier Jahre ab, aufgrund der Unzulänglichkeit älterer Daten.
Abb. 3: Relative Performance von guten vs. schlechten Unternehmen, gemessen am ESG-Rating
und ESG Momentum (MSCI Europe)
Quelle: Hérens Quality Asset Management
Während dieses kurzen Betrachtungszeitraums, vermochte Titelselektion aufgrund des ESG-Ratings keinen Mehrwert zu generieren. Im Gegensatz dazu zeigten sich verbessernde Unternehmen eine deutlich bessere Performance als diejenigen mit sinkenden KPI in Bezug auf die ESG-Dimensionen.
Fazit
ESG wird immer beliebter, so dass weitere Untersuchungen zu statischen und dynamischen ESG-Ratings folgen werden. Es gibt jedoch bereits jetzt viele Beweise für dessen positiven Einfluss auf Performance, Ansehen und Bewertung. Und gerade die aktuelle Situation spricht dafür, Unternehmen zu wählen, welche die grösseren Schritte in Richtung sozialverantwortlicher und umweltfreundlicher Unternehmensführung machen.
Quellen
- Factset (2019). Incorporating ESG Momentum Into an Investment Strategy. https://insight.factset.com/risk-and-esg-momentum
- Societe Generale (2019). Is „best-effort“ the next frontier of ESG analysis? https://www.securitiesservices.societegenerale.com/en/insights/views/news/best-effort-next-frontier-esg-analysis/.