Ansteckung
Am Montagmorgen, dem 24. Februar 2020, braute sich etwas zusammen – die S&P 500-Futures blinkten rot und beendeten den Tag schließlich mit einem Minus von 3,4%, was sehr ungewöhnlich für diesen Bullenmarkt war, der vor allem durch rekordtiefe Zinssätze angeheizt wurde. Was geschah wirklich? Eine Sache fiel auf -die Zahl der Google-Suchen nach „Coronavirus“ verdreifachte sich ab Freitag weltweit (wir haben sogar in unserem Astutex-Twitter-Konto (link) darüber berichtet). Ein weiteres beunruhigendes Zeichen – Booking.com fiel im AppStore-Ranking Italiens von Platz 70 der am häufigsten heruntergeladenen Apps am Freitag auf Platz 145 am Montag. Plötzlich gab es viel weniger Menschen, die bereit waren, in das Land zu reisen, das in den nächsten Wochen am schlimmsten von Covid-19 betroffen sein wird. Und so kam es zum größten Zusammenbruch des Marktes seit Beginn der globalen Finanzkrise.
Google-Trends als magisches Orakel
Der Aktienmarkt ist ein Indikator dafür, wie gut es der allgemeinen Wirtschaft geht und wie die Zukunftsperspektiven sind. Ökonomen und Börsenstrategen stützen dazu ihre Prognosen auf eine Reihe von Frühindikatoren wie Fertigungsaufträge oder Baugenehmigungen – Daten, die in der Regel monatlich zur Verfügung stehen. Das Problem mit dem plötzlichen externen Schock, wie wir ihn im März 2020 erlebt haben, ist, dass niemand eine Ahnung davon hat, wie schlimm die Lage wirklich ist. Bridgewater zum Beispiel, der größte Hedge-Fonds der Welt, erklärte seine Verluste wie folgt: „Wir wussten nicht, wie wir mit dem Virus umgehen sollten und entschieden uns dagegen, weil wir nicht glaubten, dass wir beim Handel damit einen Vorteil hätten. Google Trends ist immer noch der leistungsfähigste Datensatz, der für jeden Analysten kostenlos zur Verfügung steht. Die ‚Coronavirus‘-Suchvolumina waren mit einer Korrelation von 93% zum S&P 500 ein ausgezeichneter Frühindikator für die Bewertung der Auswirkungen von Covid-19.
Abb. 1: ‚Coronavirus‘ Google-Suchen vs. S&P 500
Quelle: Google Trends, Reuters
Die Suchdaten waren auch sehr hilfreich bei der Vorhersage von USArbeitslosenanträgen – eine kurze Analyse deutete auf einen etwa 13-fachen Anstieg hin, was ziemlich übereinstimmt mit den 3,3 Millionen wöchentlichen Anträgen, die am 26. März vom Arbeitsministerium veröffentlicht wurden.
Zoom, Wayfair
Es gab viele offensichtliche Verlierer in den Bereichen Transport, Reisen, Restaurants und stationärer Einzelhandel – Sektoren mit enormen Fixkosten und praktisch Null Einnahmen während des Lockdown. Es gab auch einige grosse Gewinner. Diese haben meist online basierte Geschäftsmodelle, mit welchen sie es geschafft haben, neue Kunden zu gewinnen und von neu entstandenen Verbrauchergewohnheiten zu profitieren. Wahrscheinlich wird am meisten über die Videokonferenz-App Zoom gesprochen, welche die meisten von Ihnen in den letzten Wochen kennen gelernt haben. Erst kürzlich veröffentlichte ein Unternehmen eine Pressemitteilung, in der es behauptete, es habe täglich 300 Millionen aktive Nutzer (gegenüber 10 Millionen im Dezember 2019), nur um es in aller Stille auf „tägliche Meeting-Teilnehmer“ zu korrigieren. Der Aufstieg von Zoom konnte im US App Store gut verfolgt werden.
Zoom schoss am 16. März auf Platz 1 der meist heruntergeladenen Apps in den USA und ist immer noch dort. Nicht so offensichtlich und dennoch lohnend ist Wayfair. Das Unternehmen verkauft online Möbel und Haushaltswaren und profitierte natürlich von den Ladenschließungen der Konkurrenz. Die Wayfair App sprang im US AppStore von Rang 120 im März auf 20 im April. Die Wayfair-Aktie stieg ebenfalls um satte 660 % von ihrem 52-Wochen-Tiefststand (am 23. März 2020), da das Unternehmen „Millionen neuer Kunden“ gewann und die Einnahmen gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 90% stiegen.
Abb. 2: DOL (3Y CAGR), Margen, Cash-Position nach Branchengruppen,
MSCI USA, Median
Quelle: SensorTurm
Reaktion von Kleinanlegern
Robinhood ist eine praktisch kommissionsfreie Aktienhandelsapplikation, die auf Millenials abzielt und vor kurzem bekannt gab, dass sich ihre Handelseinnahmen im März verdreifacht haben. Das Unternehmen hat 3 Millionen Kunden gewonnen und konnte berichten, dass die bestehenden Kunden mehr Investitionen tätigten, um von den niedrigeren Marktpreisen zu profitieren. Robinhood bietet auch wertvolle Einblicke in das, was Investoren kaufen. Abgesehen von Cannabisaktien und populären Marken wie Disney, GoPro und Apple kamen bei den Millennials Unternehmen hinzu, die während der Pandemien am meisten gelitten hatten -Fluggesellschaften, Kreuzfahrtschiffbetreiber und Ölfonds. Es ist also offensichtlich, dass neue Investoren nicht mit fundamentalen Kennzahlen zur Finanzanalyse wie z.B. Operating Leverage und Fixkosten vertraut sind und einfach das kaufen, was am meisten gefallen ist. Aber es gibt auch einen Namen, der deutlich hervorsticht -Inovio -, das bekannt gab, dass es nach nur drei Stunden Arbeit einen Impfstoffkandidaten gegen COVID-19 hergestellt hatte. Der bekannte „Short-Seller“ Citron nennt das Management des Unternehmens jedoch „eine Gruppe von Scharlatanen“ und vergleicht das Unternehmen mit Theranos.
Abb. 3: Veränderungen der Popularität der Robinhood Accounts
Quelle: Robinhood, Hérens Quality Asset Management
Schöne neue Welt der alternativen Daten
In turbulenten Zeiten kommt es zu enormen Wertverwerfungen, die manchmal rein durch negative Stimmung oder Liquiditätsprobleme von institutionellen Anlegern verursacht werden. In diesen Zeiten werden alternative Daten immer wertvoller, um Gewinner und Verlierer zu identifizieren – aggregierte Suche, Website-Traffic, Ranglisten für App-Downloads können einen Einblick in globale Trends mit geringer Latenzzeit geben. Und die Investitionsbranche verlagert sich auf „Nowcasting“, das auf Echtzeit-Trends basiert, anstatt die Zukunft vorherzusagen.